Scheitert die Demokratie in Herten?

Scheitert die Demokratie in Herten?

Anlässlich der Bürgerpreisverleihung wird der Bürgermeister wie folgt zitiert: „Mit Blick auf die populistische Pegida-Bewegung, den rechtsextremen NSU-Terror sowie die Abhör- und Spionageskandale befürchtete Bürgermeister Dr. Uli Paetzel in seiner Rede gar das Scheitern der Demokratie. Umso wichtiger sei es, dass sich Bürger im kleinen Rahmen für ein versöhnliches, solidarisches, gerechtes Miteinander einsetzen. …“

Und Demokratie in der Hertener Kommunalpolitik?

Die genaue institutionelle Ausgestaltung der Gemeinden wird auf der Landesebene geregelt und drückt sich in den jeweiligen Gemeindeordnungen aus. Aber auch im Grundgesetz finden sich grundlegende Bestimmungen mit Blick auf die Kommunen (Wehling / Kost 2010: 8). So wird in Art. 28 Abs. 1 GG zum einen festgelegt, dass die Vertretungen auf der Gemeindeebene nach den allgemein bekannten demokratischen Grundsätzen gewählt werden müssen, wie die Gemeinden ohnehin durch den Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung gebunden werden (ebd.: 9). In Art. 28 Abs. 2 GG verdichtet sich schließlich das Subsidiaritätsprinzip, demzufolge Aufgaben möglichst auf der untersten staatlichen Ebene wahrgenommen werden sollen, soweit dies möglich ist. Dort  heißt es:

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. […] Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“[1]

Seit 1948  – 67 Jahre- prägt die SPD Herten ihren Stempel auf. Als ehemalige Bergbaustadt, gewerkschaftlich stark verbunden, haben andere politische Parteien kaum Chancen, die Politik in Herten maßgeblich zu beeinflussen. Siehe dazu auch meine Artikel „Politik aus der Kaue“[2] . Nicht der Bürgerwille regiert die Stadt, sondern die durch Nepotismus und Ämterpatronage gefestigte Mehrheitspartei. Seit 45 Jahre beobachte ich die hiesige Kommunalpolitik. Hierzu auch einer meiner Beiträge in der Lokalpresse, die schon damals das Machtverhältnis einer „Parteiendemokratie“ und „Bürgerwille“ kennzeichnete.

Herten, 27.04.1980 – Leserbrief in der H.A.
Zu der derzeit in Rat und Ausschüssen diskutierten Frage, ob die Stadt Herten Mittel für ein Halden Umweltgutachten bereitstellen soll, meinte Joachim Jürgens, Schützenstraße 84:

„Und gehst du zur Verwaltung, so vergiss die Peitsche nicht! Das sagte Peter Gengenbach während der Etatrede im Rat. Einige Ratsherren schmunzelten. Warum, das werden wir wohl nie erfahren. Als Bürger unserer Stadt würde ich auch heute wohl noch den Dornröschenschlaf halten, wie einige Ratsherren auch heute noch. Glücklicherweise wurde ich durch den „Pferdekuss-Schützenstraße” geweckt.

Grundsätzlich sind wir Bürger, die „Arbeitgeber” der Verwaltung. Sie wird von unseren Steuern bezahlt! Dafür können wir nicht nur, sondern müssen auch eine einwandfreie Arbeit erwarten. Einige Leitende der Verwaltung fühlen sich anscheinend als „Götter im Olymp”.

Wer aber glaubt, die Spitze seiner Macht erreicht; zu haben, der sollte mal nach oben sehen. ‚

Es ist nicht mehr hinzunehmen, wie unsere Verwaltung uns Bürger versucht zu verschaukeln. Nicht nur das den Ratsherren oft zweifelhaftes Material „untergejubelt” wird, denn anscheinend weiß die rechte Hand nicht was die linke macht, sondern wir Bürger haben zunehmend Ungereimtheiten hinzunehmen. Dazu ein Beispiel:

Unmutig durch die Verschmutzung meines Hauses, offensichtlich durch den Bergetransportunternehmer, versuche ich den Verursacher dafür haftbar zu machen. Die Firma Rothalit-Montana und deren Rechtsanwälte fühlen sich nicht als Verursacher. Denn: Die Bergetransporter befahren nicht verschmutzt die öffentlichen Straßen (sie werden regelmäßig gesäubert), und es werden regelmäßig die Straßen von der besagten Firma gereinigt! Die aufsichtspflichtige Stelle der Verwaltung bestätigt mir den letzten Punkt in einem Schreiben! Also stellt auch die Stadtverwaltung fest, dass die Bergelaster keine Häuserverschmutzung verursachen. In der Stellungnahme zum Rahmenkonzept des Regierungspräsidenten (Bergehalden) wird aber darauf hingewiesen, dass die Bergetransporter die Anwohner durch Lärm und Staub belästigen! Welche Logik?

lkw-berge

Bürger sollte wissen, die Verwaltung hat die Pflicht, uns Bürger vor jeder Art von negativen Einwirkungen zu schützen und ggf. sofort Maßnahmen zu ergreifen: Wie schnell ist die Politesse mit ‚Ordnungswidrigkeitsbußgelder zur Hand! Nun, schädigt die Verwaltung uns infolge mangelnder Dienstaufsichtspflicht, so darf sie nicht erwarten, dass sie von uns noch dafür bezahlt wird. In meinem Fall in Form von Straßenreinigungsgebühren. Nur wird diesbezüglich wohl nicht der Stadtdirektor oder Stadtbaurat das letzte Wort sprechen. Jedem Bürger unserer Stadt ist anzuraten, sich in Form von öffentlichen Unterlagen und Ratssitzungen sachkundig zu machen und seinen „Arbeitnehmern“ auf die Finger zu schauen! Nun werden die „Genossen aufschreien und diese Zeilen als totalen Unsinn bezeichnen. „Der Bürger hat uns ja immer gewählt!“


Aber wer hat denn wirklich gewählt. Das hier die sogenannten „Parteisoldaten“, Wohlfahrtsverbände (AWO) Stadtwerke gesponserte Vereine s. Sportvereine mit teurem Kunstrasenplatz (Disteln) mit einem SPD-Funktionär an der Spitze!
Hier sollte man einmal die Wahlbeteiligung bei der letzten Kommunalwahl betrachten. Denn von 48.112 Wahlberechtigten traten nur mageren
49,28 % Prozent an die Urnen an. Nicht einmal ein Fünftel der Wahlberechtigten machte sich auf den Weg zur Stimmabgabe. Die Wahlbeteiligung (Landrat) im Wahlbezirk 2, Kindergarten Sternschnuppe in Westerholt lag sogar nur bei schlappen 5,57 Prozent. Nur 89 von 1 749 Stimmberechtigten nutzten ihr demokratisches Mitbestimmungsrecht.[3]

Wenn die „Macherpartei“ mit ihrem Strahlemann an der Spitze nun stolz behaupten, sie vertreten Herten, so sollte man einmal nachfragen, ist die Wahlbeteiligung nicht das Ergebnis einer politischen Frustration?

Wichtiger Punkt sind die kommunalen Finanzen. Hier darf gefragt werden, warum Herten von allen Gemeinden in NRW den 11-höchsten Steuersatz (Grundsteuer B) hat. Können die Macher dieser Stadt nicht mit Geld umgehen? [4]
Wenn man natürlich wegen erwiesener Unfähigkeit bei der Vergabe von Fördermittel fast einen Millionenschaden verursacht[5], darf berechtigt gefragt werden, was waren die Konsequenzen?

Die erkennbaren Ursachen sind Vielfältig und kommen nicht von ungefähr. In der öffentlichen Diskussion um den Missbrauch von Macht vor allem auf kommunaler Ebene werden immer wieder Fälle erörtert, in denen Politiker für sich selbst oder für Personen, die ihnen politisch oder persönlich nahe stehen, Zugang zu öffentlich dotierten Positionen eröffnen, mit denen die wirtschaftliche Existenz oder doch mindestens erhebliche wirtschaftliche Vorteile gesichert werden. Solches Verhalten wird mit dem Begriff Ämterpatronage beschrieben. Dazu ein Beitrag von  Transparency International Deutschland e.V. zum Thema Ämterpatronage, Machtmissbrauch und Korruption: Parteibuchwirtschaft in öffentlichen Unternehmen[6]. Ein Beitrag, in dem sich das eine oder andere Argument wiederfindet.

Die letzte Ratssitzung hatte gezeigt, was der Bürgermeister von seiner Demokratie hält. Als naiv bezeichnet er Frau Ruhardt. Aber lieber Bürgermeister, wir sind in der Opposition nicht so naiv, dass wie die Missverhältnisse der 67-jährigen Politik in Herten nicht erkennen. Schauen Sie doch mal in unserem Archiv „Hertens Zukunft ist die Vergangenheit“ [7]nach. Bestimmt Erkenntnis dort sind sinnbringender als mit Frauen unter 40 PR- Bus-Fahrten durch Herten zu veranstalten.

Abschießend erlaube ich, aus einer Stellungnahme des Chefredakteur der H.A. von 09.05.15 zu zitieren: „ … Ob es „nur“ um das Neubaugebiet Schützenstraße geht oder um Mammutprojekte wie die Innenstadt-Sanierung, ob um eine eher symbolische Kooperation mit der E111-schergenossenschaft oder um Lösungen für die katastrophale Verschuldung – im Stadtrat sind die Gräben zwischen „Regierung“ und Opposition so tief wie lange nicht mehr. …. „Auf ein Wort“

jede Partei, jeder Politiker im Rat hat das Recht auf einen eigenen Standpunkt. Meinungsvielfalt gehört zum Grundwesen der Demokratie. Selbstverständlich hat auch jedes Ratsmitglied das Recht, seine Meinung nachdrücklich zu vertreten. Dass sich „Regierung“ und Opposition“ im Rat seit Monaten zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen, ist also vom Grundsatz her nicht zu beklagen. Der Wähler hat diese politische Konstellation -auch die absolute Mehrheit der SPD – so gewollt.

Nun ist es aber so, dass Herten vor gewaltigen Herausforderungen steht, die nicht dadurch gelöst werden, dass sich die politischen Kräfte im Rat permanent attackieren. Ob es darum geht, das neue Haushaltsloch zu schließen, oder darum, den Niedergang der Innenstadt zu stoppen – es wird nur gemeinsam gelingen. Die Opposition, insbesondere die CDU, sollte Provokationen unterlassen, die SPD hingegen von ihrem mitunter hohen Ross absteigen. Und zwar schnell. Denn die Zeit drängt, und die Bürger erwarten Lösungen.“

Joachim Jürgens, 10.Mai 2015

Dieser Beitrag wird in unregelmäßigen Abständen fortgesetzt


 [1] http://www.buergerhaushalt.org/de/article/b%C3%BCrgerhaushalte-und-kommunale-demokratie-der-bundesrepublik-deutschland

[7] http://archiv.pro-herten.de/

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1 Kommentar

    • Wolfgang M. Kühn auf 10. Mai 2015 bei 13:27
    • Antworten

    Warum verhöhnt die SPD die Hertener Bürger?

    Am vergangenen Donnerstag tagte im großen Rathaussaal der Haupt- und Finanzausschuss (HuFA). Da bekannt war, das der HuFA auch rund 90 Bürgerbeschwerden zur drastischen Hebesatzerhöhung der Grundsteuer B von 565% auf 795%, immerhin eine satte Steigerung von 40,71%, behandeln würde, war die Besuchertribüne gut gefüllt.

    Bei Punkt 4.2 (Grundsteuer B – Bürgerbeschwerden) wurde es spannend, wenn auch die Erläuterung, dass Bund und Land zuwenig Gelder nach Herten überweisen, sicherlich von den anwesenden auf der Besuchertribüne erwartet wurde. Auch ein Bürger, welcher eine der vielen Bürgerbeschwerden gegen die Grundsteuererhöhung an den Rat gerichtet hatte kam zu Wort. So führte er an, dass in den letzten Jahren bereits die Gebühren der Verwaltung, z.B. für Müll, Abwasser, Straßenreinigung usw. drastisch erhöht wurden und nun vor allem Rentner und Geringverdiener häufig nicht mehr in der Lage sind, all diese Erhöhungen und zusätzlich eine so deutliche Grundsteuererhöhung, zu tragen Schließlich werden Einkommen und Renten nicht in gleicher Höhe angepasst! Hier seine Empfehlung: Sparen! Einsparpotenziale suchen und nicht immer nur bei Steuererhöhungen kreativ sein.
    Unerwartet, ja ungeheuerlich war es, als die Zuhörer auf der Tribüne das Statement des SPD- Fraktionsvorsitzenden, Alexander Letzel hörten. Dieser bedankte sich für jede Bürgerbeschwerde, denn jede dieser Beschwerden würde seine Fraktion unterstützen und deutlich machen, dass Herten mehr Gelder von Bund und Land benötigt. Auf der Besuchertribüne hörte man dies, schaute sich an und schüttelte den Kopf! Im Ratssaal konterte der CDU-Fraktionschef Stefan Grave scharf, dass es doch wohl nicht der Ernst der SPD sein könne, den Hertener Bürgerinnen und Bürgern eine solch drastische Steuererhöhung aufzuerlegen, sich nun für die hiergegen gerichteten rund 90 Bürgerbeschwerden zu bedanken und dies dann auch noch als Bekräftigung des Kurses der Hertener SPD zu werten um dann anschließend wiederum mit der absoluten SPD- Mehrheit sämtliche Bürgerbeschwerden abzulehnen!
    Um es klar zu sagen: Wenn eine Partei meint ihre Stadt weiter so führen- und gestalten zu können, wie in besten Zeiten, als noch tausende von Arbeitnehmern auf 3 Hertener Bergwerken und in einer Fleischwarenfabrik ihren Arbeitsplatz hatten und die Gewerbesteuereinnahmen sprudelten, dann ist dies juristisch sicherlich rechtens. Dies vor allem, wenn die Bürger dieser Partei, wie der Hertener SPD, mit ihrer Stimme ein absolutes Votum gegeben haben.

    Nicht korrekt und völlig daneben ist aber Folgendes:
    Diese SPD handelt nicht so, wie es nun jeder Bürger schließlich durch die ihm 2015 auferlegten Steuererhöhungen selber tun muss, indem umfassend aber kreativ gespart wird. Ganz egal, ob die SPD dies nicht will oder kann. Nein, stattdessen wird die Grundsteuer in einem ersten Schritt direkt über 40% Steuern angehoben, weitere 15% folgen 2018. Wenden sich hierzu – zu Recht und verständlicherweise – sehr viele Bürger/innen per Beschwerde an den Rat, dann werden diese in der Folge auch noch verhöhnt! Denn als nichts anderes als Verhöhnung der sich beschwerenden Bürger/innen kann man die Argumentation des Hertener SPD-Fraktionschefs werten. Mit "Krokodilstränen" die Beschwerden der Bürger/innen als Unterstützung der eigenen Politik zu vereinnahmen um diese Minuten später dann wieder mit der absoluten SPD-Mehrheit abzulehnen, dass ist einfach nur unanständig Herr Letzel!

    Wolfgang M. Kühn Scherlebeck

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